Der Klimawandel fordert Lösungen, wie Wirtschaft und Gesellschaft CO2 einsparen und mit den begrenzten Ressourcen nachhaltiger umgehen können. Eine zirkuläre Wirtschaft ist dabei mehr als nur Recycling. Sie kann der entscheidende Hebel sein für eine nachhaltige Transformation.

Porträt von Prof. Dr. Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)

Frau Prof. Dr. Kemfert, welche Bedeutung hat eine zirkuläre Wirtschaft beim Klimaschutz?
Eine wichtige, aber nicht nur beim Klimaschutz, sondern generell. Eine Wirtschaft, die nicht konsequent in Kreisläufen agiert, ist nicht nachhaltig. So ist es ja noch heute. Aufgrund der zu geringen Zirkularität des Wirtschaftens überschreiten wir in fast allen Bereichen Umwelt-, Klima-, Ressourcen- und planetare Grenzen. Wir leben weit über unsere Verhältnisse und bräuchten drei weitere Planeten in Reserve, wenn wir weitermachen wie bisher. Daher ist es enorm wichtig, dass eine vollständig zirkuläre Wirtschaft Standard wird und wir Prozesse und Verfahren umstellen.

Wo stehen wir auf dem Weg zu einer zirkulären Wirtschaft? Was läuft gut, was muss noch besser werden?
Wir stehen am Anfang. Zirkuläres Wirtschaften muss raus aus dem Nischendasein und Standard in allen Bereichen werden. Zwar wird Recycling in vielen Bereichen durchaus umgesetzt, doch die zirkuläre Wirtschaft erfordert viel mehr als das. Neben konsequenter Ressourceneffizienz geht es vor allem um das Wirtschaften in konsequenten Kreisläufen. Die Entwicklung von neuen Produkten gehört genauso dazu wie die Standardisierung und Etablierung effektiver Richtwerte und Rahmenbedingungen. Viele Unternehmen entwickeln innovative Produkte und Verfahren, aber es fehlt die umfassende Anwendung und Etablierung der Konzepte.

Ist eine Welt ohne Abfälle, in der alles wiederverwertet wird, überhaupt machbar oder eine ferne Utopie? Wie kann dieses Ziel erreicht werden?
Natürlich ist es machbar, und es wäre schon heute machbar, wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen hätten. Durch die Einführung von effektiven Standards, der Einführung von „Kostenwahrheit“ darüber, was negative Externalitäten wie Umwelt- und Klimaschäden angeht sowie der Etablierung von „Best Practice“-Ansätzen könnte schon heute viel mehr erreicht werden. An den Innovationen der Unternehmen liegt es jedenfalls nicht, dass zirkuläres Wirtschaften kaum umgesetzt wird, sondern vor allem an den fehlenden politischen und marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Um stärker auf die Chancen zu blicken: Was würde passieren, wenn die Wirtschaft wirklich zirkulär funktioniert?
Wir würden eine echte nachhaltige Wirtschaft auf den Weg bringen können, müssten den Planeten nicht mehr so stark belasten, könnten zur Verteilungsgerechtigkeit beitragen und würden Umwelt- und Klimaschäden viel mehr vermeiden können. Es würden enorm wichtige, zukunftsfähige Innovationen entstehen, die wiederum echte wirtschaftliche Chancen hervorbringen wie auch Jobs. Es wäre eine Win-Win-Win-Strategie.


Welche Instrumente benötigen wir jetzt für den Umstieg auf eine zirkuläre Wirtschaftsweise? Und was kann jedes Unternehmen für sich tun?
Zum einen werden konkrete Vorgaben und Standards benötigt, damit sich die Marktpotentiale entwickeln können. Zum anderen sollten Preissignale wirken, die Kostenwahrheit bedeuten, ein wirksamer CO2-Preis wäre ein guter Anfang. Aber auch die hohen fossilen Energiepreise können einen enormen Schub für das zirkuläre Wirtschaften geben, da es sich am Markt mehr und mehr rechnet. Es darf einfach das jetzige, nicht nachhaltige, umweltschädliche und klimaschädliche Wirtschaften nicht mehr geben, wir brauchen den Wandel. Jetzt und sofort. Unternehmen können davon enorm profitieren, da Innovationen entstehen, neue Marktchancen, langfristig tragfähige Geschäftsmodelle und Wettbewerbsvorteile. Daraus entstehen enorme wirtschaftliche Chancen, die unbedingt gehoben werden sollten.

  1. Porträt von Prof. Dr. Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)

    Zur Person

    Claudia Kemfert leitet die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und lehrt als Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Leuphana-Universität Lüneburg. Sie ist Co-Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung berät zudem verschiedene Forschungseinrichtungen und die EU-Kommission.

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