David Bittner ist Biologe, Bärenforscher und Naturfotograf. Wenn er nach Alaska reist, verbringt er mehrere Monate unter Grizzlies. Welche Parallelen es zwischen der Wildnis Alaskas und den Herausforderungen in der Geschäftswelt gibt, erzählt er im Interview.
Herr Bittner, woher kommt Ihre Faszination für die wilden Bären Nordamerikas?
Zum einen fasziniert mich ihre Lebenswelt, die Wildnis Alaskas. Die Ursprünglichkeit dieses natürlichen Lebensraums, ohne Spuren menschlicher Anwesenheit oder Ausbeutung der Natur. Und dann natürlich die Bären selbst. Jeder ist ein eigenes Individuum mit einem eigenen Charakter. Einige Tiere kenne ich seit über 15 Jahren und ich konnte miterleben, wie sie von einem putzigen Bärchen zu einem erwachsenen Bären heranwuchsen. Je mehr ich diese Tiere beobachte desto mehr Gemeinsamkeiten kann ich entdecken. Bären sind wie wir. Oder umgekehrt.
Das klingt so, als ob in jedem von uns ein bisschen Bär steckt. Welche Parallelen gibt es zwischen der Welt der Bären in der Wildnis Alaskas und unserer zivilisierten Welt?
Man könnte viele nennen, aber eine ist beispielsweise die hierarchische Struktur, welche ganz ähnlich wie in einem üblichen Unternehmen aufgebaut ist, mit einem Big Boss Bär ganz an der Spitze. Oder auch wie sich Bären, welche sich (gut) kennen, begegnen, auch wenn sie sich eine Weile nicht getroffen haben, oder einem fremden Bären begegnen. Respekt spielt dabei eine ganz zentrale Rolle, etwas, dass bei uns Menschen in jüngster Zeit leider immer mehr vergessen und verloren geht…
Sie halten Vorträge zum Thema Unternehmensführung und was wir von wilden Bären lernen können. Vor dem Hintergrund einer sozial nachhaltigen Arbeitskultur - was können wir aus der Wildnis lernen und in Unternehmen übertragen? Was können wir für das tägliche Miteinander mitnehmen?
Das kann ich mit einem Wort beantworten: Respekt! Respekt begegnet uns im Alltag in der Familie, unter Freunden, aber auch beim alltäglichen Umgang mit Mitarbeitern und Vorgesetzten bei der Arbeit. Herausforderungen, Deadlines, Workflow und Time- sowie Riskmanagement bestimmen unseren Alltag. Mit einem respektvollen Umgang sind wir motivierter, denn Respekt führt uns zusammen. Im Team sind wir meist erfolgreicher, weil jeder seine Rolle hat und das Team sich bestenfalls auch untereinander schützt. Es gibt eine ganze Menge, was wir von Bären lernen können. Wie man sich begegnet, kennenlernt, Vertrauen aufbaut und schließlich große Erfolge verbuchen kann.
Haben Sie bei Ihren Begegnungen mit Bären immer nur gute Erfahrungen gemacht? Gab es auch gefährliche Situationen?
Allgemein kennen wir die Bären aus vielen Horrormeldungen. Ja, Bären sind grundsätzlich gefährliche Tiere, welche immer unseren Respekt verdienen. Aber die Realität sieht anders aus, weil Bären den Menschen nicht als potentielle Beute ansehen, sondern uns grundsätzlich meiden und uns aus dem Weg gehen, wie das bei anderen Wildtieren auch der Fall ist. Ich habe den Alltag unter Bären häufig als friedlich wahrgenommen. Aber klar, ich habe auch schwierige Situationen erlebt. Etwa mit einem jungen Männchen, welches sich in der Rangordnung hocharbeitet und (wie ich selbst früher auch) seine Grenzen testen ‚muss‘. Da ist man gut beraten dementsprechend vorsichtig auf eine solche Situation zu reagieren. Wegrennen ist zum Beispiel nie eine Option.
Und wenn einem wirklich mal ein Bär in freier Natur begegnet? Was würden Sie raten?
Genießen Sie diesen einmaligen Moment! Die Begegnung wird Sie prägen! Stellen Sie jedoch bitte sicher, dass die erste Begegnung auf eine gewisse respektvolle Distanz stattfindet. Die wichtigste Regel, wenn man in einem Bärengebiet unterwegs ist, ist durch Geräusche wie Singen oder Gespräche auf sich aufmerksam zu machen, besonders in unübersichtlichem Gelände. Es ist keine gute Idee einem Bären auf kurze Distanz plötzlich gegenüberzustehen. Er könnte sich bedroht fühlen, vor allem eine Mutter mit ihren Jungen. In der Regel flüchtet der Bär, aber selten kann er auch angreifen, um sich zu verteidigen und das kann böse ausgehen.
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David Bittner wurde 1977 in Bern geboren und ist Molekularbiologe, Bärenforscher und Naturfotograf. Seit 2002 reist er wann immer es möglich ist nach Alaska, um die Kodiak- und Küstenbraunbären in der Wildnis zu beobachten und seine Erlebnisse mit Foto- und Filmaufnahmen zu dokumentieren. Sein Interesse für Bären wurde während seiner ersten Reise nach Alaska im Jahr 2002 geweckt. Seitdem reist er immer wieder nach Alaska und verbringt mehrere Monate in totaler Abgeschiedenheit mitten unter Grizzlies.