Female Empowerment ist schon lange kein Modebegriff mehr, sondern mittlerweile auch im Unternehmenskontext nicht mehr wegzudenken. Im Experteninterview erklärt Personal- und Karriereberaterin Sabine Hansen, dass Female Empowerment mehr ist als nur Frauenförderung. Strategisch genutzt kann es wie ein echter Karriere-Booster für Frauen und Männer wirken.

Sabine Hansen sitzt in einem weißen, hellen Büro an ihrem Schreibtisch, tippt etwas in ihr Tablet und schaut in die Kamera.

Frau Hansen, was verstehen Sie unter Female Empowerment?

Female Empowerment muss breiter gedacht werden als reine Frauenförderung. Für mich ist es die Möglichkeit, Talente zu entwickeln und sichtbar zu machen. Das gilt natürlich für Frauen, aber eben nicht nur ausschließlich. Female Empowerment ist inklusiv und hat einen Impact auf das ganze Unternehmen. Nachhaltig erfolgreich ist nämlich nur, wer alle mitnimmt und teilhaben lässt. Dann entsteht eine Sogwirkung.

Was passiert, wenn Unternehmen sich Female Empowerment nicht nur auf die Fahne schreiben, sondern es auch leben?

Ich beschreibe es gerne als ein trojanisches Pferd, meine das aber gar nicht in einem negativen Sinne. Female Empowerment lässt andere Sichtweisen und einen Diskurs zu, der viele Veränderungen anstößt – gute Veränderungen. Es kann die Führungskultur und das Miteinander stärken. Quoten und faires Gehalt reichen heute nicht mehr aus, um Frauen an Bord zu holen. Dementsprechend ist Female Empowerment ein wichtiger Treiber für den Unternehmenserfolg. Wichtig ist nur, die Beweggründe im Unternehmen transparent zu machen.

Mit welchen Herausforderungen und Sorgen haben sich Frauen Ihrer Meinung nach in der heutigen Arbeitswelt auseinanderzusetzen?

Das ist natürlich individuell und hängt von verschiedenen Faktoren ab – zum Beispiel, ob sie sich bereits in einer Führungsrolle befinden oder wie die persönliche Situation ist. Aber viele Frauen fragen sich auch heute noch, ob sie ihre Karriere so gestalten können, wie sie zu ihrem Lebensentwurf passt. Ob sie zurückstecken müssen, ob sie selbst und ihre Kompetenz akzeptiert werden. Sie sind mit mangelnder Sichtbarkeit konfrontiert und der Sorge, etwas zu verpassen, wenn sie zum Beispiel in Elternzeit gehen. Wir hoffen immer, diese Diskussionen gäbe es nicht mehr, aber dem ist leider nicht so.

Müssen Frauen sich denn heute noch zwischen Karriere oder Familie entscheiden?

Unsere Gesellschaft ist im Wandel. Wer diesen Wandel mitgestalten möchte, geht das Thema Female Empowerment proaktiv an. Viele Unternehmen sind heute also schon eindeutig flexibler geworden, gehen in den Austausch mit ihren Mitarbeiterinnen und schauen, was für diese das Beste ist. Es werden gemeinsame Lösungen erarbeitet. Und was Frauen sich in den meisten Fällen wünschen, sind einfach 100-prozentiges Commitment zu ihrer Person und Flexibilität seitens des Unternehmens. Unternehmen, die das nicht berücksichtigen, riskieren es, ihre Leute zu verlieren.

Hat sich auch das Mindset der Frauen geändert?

Absolut. Die Frauen von heute artikulieren viel deutlicher, was ihnen wichtig ist. Und sie sind sich auch selbst viel klarer, was sie denn wollen. Will ich Karriere machen? Will ich geregelte Strukturen und viel Zeit für Privates? Noch vor 10 oder 15 Jahren hätten Frauen sich nicht getraut, das so zu sagen und heute haben sie auch den Mut, entsprechende Konsequenzen zu ziehen, wenn sie sich selbst nicht verwirklichen können.

Konsequenzen ziehen heißt Jobwechsel? Aufgrund des Fachkräftemangels ist gerade doch bestimmt sowieso ein guter Moment für Frauen, um richtig durchzustarten.

Der Fachkräftemangel ist für Frauen sowie Männern ein Booster auf dem Arbeitsmarkt. Während früher vieles prozessual angegangen wurde, muss heute in Unternehmen der Mensch mit seinen Bedürfnissen an erster Stelle stehen. Daraus ergeben sich natürlich Spielräume, die strategisch gut genutzt werden sollten.

Worauf sollten Frauen in ihrer Karriereplanung demzufolge achten?

Wenn ich weiß, was ich möchte, muss ich vor allem eines: mich sichtbar machen. Welche Kompetenzen habe ich? Für was will ich bekannt sein? Wenn sie das wissen, sollten Frauen ihre Karriereplanung strategisch angehen: Welche Unterstützer habe ich in meinem Unternehmen? Wem und wann teile ich meine Ambitionen mit? Mit wem kann ich mich austauschen? Ich sage immer, Karriereplanung hat was von Schachspielen. Da können wir uns tatsächlich noch was von den Männern abgucken, viele von ihnen machen das nämlich wirklich richtig gut. Aber abgesehen davon, hilft es ungemein, als Vorbild voranzugehen. Denn die werden gesehen. Dafür müssen Frauen vor allem an sich selbst glauben und für sich einstehen.

Zur Person

  1. Porträt Sabine Hansen

    Sabine Hansen ist Personal- und Karriereberaterin. Die 53-jährige hat bis 2019 bei Kienbaum gearbeitet, führt mit She4Her Leadership Consulting (www.she4her.de) inzwischen aber ihre eigene Beratungsboutique. Seit 2017 ist sie Vorstandsvorsitzende der Initiative Women into Leadership e.V. (www.iwil.eu), die sich für die Beförderung von Frauen ins Topmanagement auf Basis eines Cross-Mentoring-Programms einsetzt. Als Kapitalgeberin engagiert sich Sabine Hansen bei Start-ups im Bildungsbereich (www.leadershipnext.de) und setzt sich für die gestiegene Bedeutung von Female Finance bei der eigenen Kapitalbildung von Frauen ein.