Um Persönlichkeitsmerkmale zu ermitteln, nutzen beispielsweise Personalberatungen aufwendige Verfahren. Auch in der Gesundheitsvorsorge oder im Kundenservice wächst der Bedarf danach. Mit ihrer Technologie „Precire“ bietet die Aachener PRECIRE Technologies GmbH ein weltweit einmaliges formal-quantitatives Verfahren, das anhand von Sprachkonstrukt, Sprechweise und Stimme oder Schrift psychologische Merkmale erkennt. „Unsere innovative Technologie macht die Analyse einfach, schneller und angenehmer, als bei herkömmlichen Verfahren“, so Mario Reis, heutiger Mitgesellschafter bei PRECIRE.

Wurzeln in der Arbeits- und Organisationspsychologie
Die Gründer der Psyware GmbH, der Vorgängergesellschaft von PRECIRE, der Jurist Dr. Dirk C. Gratzel, der Ökonom Mario Reis und Diplom-Psychologe Christian Greb, lernten sich in der Personalberatung kennen. Dort berieten sie Unternehmen sowie Fußballvereine in Sachen Arbeits- und Organisationspsychologie und setzten dabei auf eignungsdiagnostische Verfahren. Das durch Beratung geprägte Geschäftsmodell hatte jedoch geringes Wachstumspotenzial. So entstand die Idee, eine technische, skalierbare Lösung zu entwickeln.
2011 stieß das Team auf eine Studie zur formal-quantitativen Textanalyse aus den 1960er-Jahren. Demnach verändern sich bei Psychotherapiepatienten im Laufe des Heilungsprozesses Sprachmuster wie Satzbildung oder Wortnutzung. Gratzel, Reis und Greb waren überzeugt, dass der damals aufgrund geringer Rechnerleistungen begrenzten Methode mit heutiger Technologie zum Durchbruch verholfen werden kann. Sie schlossen mit der RWTH Aachen eine Forschungskooperation – mit vielversprechenden Ergebnissen. 2012 wurde dann die Psyware GmbH gegründet, die heutige PRECIRE Technologies GmbH.
Größte sprachpsychologische Studie der Welt
Als Basis der Technologie zur Erkennung von Persönlichkeitsmerkmalen führte PRECIRE Technologies GmbH die nach eigenen Angaben weltweit größte sprachpsychologische Studie durch. Dabei wurden 43 psychologische Merkmale von 5.500 Menschen erhoben und von jedem Teilnehmer eine 15-minütige Sprachprobe genommen. Die Sprachproben wurden anhand eines Systems mit 180.000 Unterkategorien klassifiziert, zum Beispiel hinsichtlich der Nutzung von Füllwörtern, Semantik und Tonfrequenzen. Die signifikanten Zusammenhänge in diesem hochkomplexen Datenbestand berechneten über viele Wochenenden hinweg die Server der RWTH.
Mithilfe der Ergebnisse analysiert PRECIRE Technologies GmbH nun anhand einer 15-minütigen Sprachprobe psychologische Merkmale eines Menschen. „Im Prinzip haben wir die menschliche Sprache decodiert und gleichzeitig kartographiert“, so Reis. „Ähnlich wie beim MRT können wir visualisieren, welche sprachlichen Bereiche für welche individuellen Merkmale verantwortlich sind.“
Rasante Entwicklung mit starken Partnern
In der Anfangsphase fokussierte das Team die technologische Entwicklung. Seit Beginn brachten die Gründer rund 500.000 Euro eigene Mittel ein. Mitte 2013 wurde die erste Finanzierungsrunde mit dem Seed Fonds Aachen II und der DSA Invest GmbH geschlossen. Die Studiendaten wurden ausgebaut, Markttests brachten erste Umsätze. 2014 folgten größere Pilotprojekte und eine weitere Finanzierungsrunde. Mittlerweile beschäftigt PRECIRE 17 Mitarbeiter.
Im Juni 2015 wurde die Series C Runde im mittleren siebenstelligen Bereich geschlossen, mit Beteiligung der NRW.BANK und von Business Angels. „Das hochmotivierte Team hat uns überzeugt. Die Technologie ist bei namhaften Kunden im Einsatz. Mit unserem Investment unterstützen wir PRECIRE dabei, den Markt zu erobern“, so Thorsten Heldt von der NRW.BANK.
Zukünftige Geschäftsfelder und Sprachräume
Große Unternehmen setzen die Technologie im Bereich Human Resources ein, Krankenkassen für E-Health-Solutions. Als drittes Geschäftsfeld baute PRECIRE „Customer Inside“ auf – mit Softwaremodulen, die der Kunde direkt in sein System integrieren kann. Die Digitalisierung ist ein weiterer Ansatzpunkt, ebenso gesellschaftliche Zukunftstrends wie psychische Gesundheit und Fachkräftemangel. Kurzfristig sollen weitere Kunden gewonnen und das Produkt in die Fläche gebracht werden. Mittelfristig werden neue Sprachräume erschlossen, zum Beispiel Nordamerika.
PRECIRE bietet heute das einzige System für diese Form der Analyse. Langfristig soll die Technologieführerschaft ausgebaut werden. Das Team rechnet damit, dass auch große Player wie Google oder andere Technologiekonzerne in den Markt einsteigen. „Um dann mitzuhalten, brauchen wir eine große Datenbasis, technologischen Vorsprung, eine gute Finanzierung und möglichst viele Kunden“, so Reis. „Und da sind wir auf einem sehr guten Weg.“
Stand: 7. Dezember 2017